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(Kindliche) Sehnsucht nach Gottesdienst IV

Angst und Geborgenheit

In seinem Werk "Glauben in Freiheit, Band 1" beschäftigt sich Eugen Drewermann mit dem Phänomen "ANGST" im menschlichen Leben. Er folgt dabei im wesentlichen dem Konzept von Fritz Riemann, der von vier Grundängsten spricht, zwischen denen die menschliche Existenz ausgespannt sei.

Angst, die entsteht, wenn der Mensch, möglicherweise schon in allerfrühester Kindheit, zu viel, zu lang alleine gelassen worden ist. Angst vor Verhungern und Verdursten, vor dem Ausgesetztsein von Kälte oder Hitze. Angst vor der Überwältigung durch affektive Triebwünsche. Angst, nicht wahrgenommen und angemessen beachtet zu werden. Das sind nur ein paar Aspekte dieser Angstsphäre, der wir immer wieder ausgesetzt sind, weil unser Selbstwertgefühl auf sehr fragilen Grundlagen ruht.

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Religion, insbesondere ihre zentralen Riten, sollen den Menschen helfen, mit solchen Ängsten fertig zu werden, sie zu überwinden und zu verwandeln in Lebensmut und Lebensstärke!

Die Kommunion beispielsweise, der vierte Schritt im christlichen Gottesdienst, antwortet auf den Schrecken der gottverlassenen Einsamkeit ("You never walk alone"). Im dritten Schritt, der sogenannten Wandlung, wird der depressiven Gestimmtheit der menschlichen Seele das Mysterium von Tod und Auferstehung entgegengehalten. Der Überwältigung durch die Triebwelt kann eine nach und nach sich entwickelnde Fähigkeit zum Abgeben, zum Verzicht, zum Opfern, entgegengestellt werden. Und die Botschaft des Evangeliums (1.Schritt) ist eindeutig eine Frohe Botschaft. Der "Himmel" ist zwar räumlich besehen vielleicht grenzenlos, aber er ist erfüllt von einer Geistigen Welt mit Wesenheiten, die uns wahrnehmen, uns wollen und liebevoll begleiten und uns zu unserem wahren ICH hingeleiten können.

Eugen Drewermann spricht von Symbolischen Feldern der Geborgenheit, in denen das Mensch-Sein Linderung und sogar Erlösung von den Urängsten seiner Existenz zuteil werden kann.

WAS FÜR EIN GOSSARTIGER MEDITATIONSSTOFF!

Er hat mir geholfen, mit meiner Arbeit mit den entwicklungsverzögerten Kindern und Jugendlichen besser zurechtzukommen und hat der Hoffnung mächtig Auftrieb gegeben, dass durch die Beschäftigung mit religiösen Ritualen wirklich fruchtbringende und weiterführende therapeutische Ideen gefunden werden können.

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Doch an welchem Punkt konnte konkret die Brücke geschlagen werden zu der Lebenswelt der Jugendlichen?! Da gab es einen Kollegen, einen Musiklehrer, der zu eben dieser Welt über die zeitgenössische Musik eine Verbindung aufzubauen vermochte. Im Bündnis mit ihm konnten wir die Jugendlichen gewinnen, an den Schulhandlungen regelmässig teilzunehmen. Eine grossartige, spannende Phase in meinem Arbeitsleben.

Ängste, die nicht beachtet und bearbeitet werden, sinken ab und führen oft zu einer "neurotischen" Erstarrung des seelischen Gefüges mit nachfolgenden Verhaltensauffälligkeiten (womöglich Hilferufe!) bis hin zu psychosomatischen Symptomen.

Klar, wenn das religiöse Riten wirklich schaffen, solche Grundängste durch wiederholentliche rituelle "Handlungen" zu beruhigen, dann wäre das ganze religiöse Feld unverzichtbar, wenn man sich berufen fühlt, in diese angstdurchtränkte seelische Welt Hoffnung auf Gesundwerdung zu tragen.

In dieser entscheidenden Phase trafen mich ein paar Sätze von Rudolf Steiner wie ein Keulenschlag. Er hat sie ausgesprochen auf die Frage von angehenden Pfarrern der Christengemeinschaft: Was ist das Geheimnis des christlichen Kultus?

"Es wird Ihnen sonderbar erscheinen, dass ich genötigt bin, von Konzeption, Embryonalleben und Geburt zu sprechen wenn ich von der Messe (=christlicher Kultus) sprechen will..(GA 343(1),Seite 174, Rudolf Steiner)

Er unterteilt den Beginn des menschlichen Lebens zunächst in drei Schritte (Konzeption, Embryonalleben, Geburt) und fügt (auf Seite 179) noch einen vierten Schritt dazu...."In der Sprachentstehung liegt die allerdeutlichste Fortsetzung desjenigen, was in den Embryonalkräften auch in Bezug auf den übrigen Organismus vorhanden ist."

Also vier Schritte! Und wenn man die umkehrt, komme man zu den vier Schritten des christlichen Kultus ?

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Ich weiss bis heute nicht, ob ich das alles angemessen verstanden habe. (Es ist bald 30 Jahre her, seitdem ich diese Sätze zum ersten Mal zur Kenntnis nehmen konnte!)

UMKEHRUNG der Schritte, die ins Leben führen!? Mit anderen Worten, der christliche Kultus will uns zurückführen (seelisch natürlich) zu dem Ursprungsgeschehen unserer Inkarnation.

Hab ich davon schon mal was verspürt, wenn ich an einem "Gottesdienst" teilnahm, vor allem bei einem katholischen!?

NEIN, darauf wäre ich nun wirklich nie gekommen. Sicher, - manches Kircheninnere sieht wie ein schwangerer Bauch aus, vom Embryo her gesehen, stark vergrössert. Und das Knien hat vielleicht etwas mit der Embryonalstellung der Gliedmassen zu tun. Das Murmeln der heiligen Gebetstexte könnte dem entsprechen, was so ein Embryo während seiner Schwangerschaftszeit von aussen zu hören bekommt. Oder handelt es sich bei der Messe etwa um eine Art Sprache, deren Verständnis sich meinem Intellekt entzieht, so eine Art Geheimsprache für mein Unterbewusstes? Dann wäre Latein als Ritualsprache vielleicht doch nicht ganz so daneben. Gut, man spricht vom Schoss der Kirche, auch von Vater Staat und MUTTER Kirche.

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Aber noch einmal - einfach experimentell: Das Evangelium hören (1.Schritt) als Umkehrung des Sprachentstehungsvorganges? Ich höre etwas (Evangelium) erst mal so wie ein Kind an, das gerade dabei ist, sprechen zu lernen. Es handelt sich bei den Evangelien tatsächlich um Bilder (Imaginationen), die sich erst mit der Zeit entschlüsseln lassen. Im Urchristentum musste man vermutlich deswegen eine ganz schön lange Vorbereitungszeit durchmachen, ehe man zu dem eigentlichen Kultus zugelassen wurde. Im Staatschristentum freilich legte man darauf keinen Wert mehr, sondern sah zu, dass man mit allerlei Gewaltmittel die Leute in die Kirche bekam....

Die Opferung (2.Schritt) als Umkehrung der Geburtsvorgänge? Tatsächlich findet bei der Geburt eine Art Opferung statt: Die Plazenta (Mutterkuchen) gibt ihr Leben, ihre Existenz auf, um den Embryo (eigentlich Fetus) zu veranlassen, das Licht der Welt zu erblicken. Das stimmt schon. Dem ägyptischen Pharao wurde anscheinend bei wichtigen Staatsgeschäften von einem extra bestellten Minister seine mumifizierte (!) Plazenta vorangetragen. Andere Zeiten, andere Sitten.

Das Embryonalleben als Umkehrung des Transsubstanziationsgeschehens (3.Schritt)? Das könnte ich noch am ehesten nachvollziehen. Hier materialisiert sich ein menschliches Körperchen, dort wird Brot und Wein verwandelt in übersinnliches Fleisch und Blut des menschlichen Urbildes (Christus).

Die Kommunion (4.Schritt) als Umkehrung der Konzeption?. Das wäre ein gewagtes Unterfangen, aber nicht ganz von der Hand zu weisen.

Ich gebe zu, all diese Fragen haben mich seitdem nie wieder ganz losgelassen. Und Menschen zu finden, mit denen ich darüber disputieren könnte, war mir bislang nicht vergönnt!

Fortsetzung folgt

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